Interkulturelles Mentoring

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Mentoring ist ein Instrument der Personalentwicklung, das vor allem in Organisationen, aber auch in persönlichen Bereichen, eingesetzt wird. Der Mentor (weiblich: Mentorin), eine erfahrene Person, lässt den Mentee, eine noch unerfahrene Person, an seiner Erfahrung und seinem Wissen teilhaben und begleitet dessen (berufliche) Weiterentwicklung. Dabei stehen Perspektivengenerierung, strategisches Vorgehen, Umsetzung von Handlungsschritten und Zugang zu Netzwerken häufig im Vordergrund.[]

Interkulturelles Mentoring (engl. intercultural oder cross-cultural mentoring) beschreibt in diesem Sinne die Mentoringkonstellation, in der Mentor und Mentee unterschiedlichen Kulturen angehören. Unter Kulturen werden in der Literatur überwiegend Ethnien und Nationalkulturen verstanden. Eine genaue Begriffsdefinition von interkulturellem Mentoring existiert im deutschen Forschungskontext zurzeit noch nicht, weshalb begriffliche Überschneidungen und Differenzen zu anderen Quellen möglich sind.[] Während es durchaus reichlich Literatur und Studien zum Thema Mentoring gibt, wurde interkulturelles Mentoring bisher wenig thematisiert und die Forschung steht noch am Anfang. Die vorhandene Forschung geht überwiegend von einem westlichen Kontext aus.[]

Abgrenzung zum Coaching

Aufgrund des historischen Ursprungs und der gemeinsamen thematischen Schwerpunkte werden die Begriffe Mentoring und Coaching häufig nicht exakt unterschieden. Im Gegensatz zum Coaching hat der Mentor keine professionelle Ausbildung erfahren. Der Mentor fungiert vielmehr als ein persönlicher Unterstützer, während der Coach oft eine therapeutische Unterstützungsfunktion vor allem in Krisenmomenten innehat. Außerdem zeichnet sich Mentoring durch eine mittelfristige Laufzeit aus, wohingegen Coaching eine kurzfristige Maßnahme ist, die mit festgesetzten Zielen punktuell eingesetzt wird.[] Siehe auch Interkulturelles Coaching .

Ziele

Mentoringprogramme haben das Ziel, dass Erfahrung und Wissen von einer erfahrenen Person an eine (noch) unerfahrene Person weitergegeben und dessen (berufliche) Weiterentwicklung begleitet wird. Interkulturelle Mentorings haben so gesehen dasselbe Ziel, jedoch sind die Zielsetzungen mitunter noch spezifischer:

  • Stärkung interkultureller Kompetenz
  • Förderung von interkulturellen Begegnungen
  • Sensibilisierung für kulturelle Vielfalt
  • Austausch über kulturelle Differenzen und Gemeinsamkeiten
  • Abbau von Stereotypen
  • Verbesserung der Diversitykompetenz
  • Entscheidungshilfe für bevorstehenden Auslandseinsatz
  • Austausch über migrationsspezifische Fragestellungen
  • Integration in den Entsendungsstandort
  • Eingliederung in die neue Arbeitsstelle
  • Integration von (kulturellen) Minderheiten in informelle Netzwerke
  • längerfristige Bindung von Mitarbeitern aus (kulturellen) Minderheiten

Je nach Situation und Bedarf können interkulturelle Mentoringprogramme aber auch mehrere der genannten Ziele haben. Weitere Zielsetzungen, beispielsweise im Sinne eines Diversity Managements, sind ebenfalls möglich.[]


Mentoringarten und Zielgruppen

Für multinationale Unternehmen am Standort Deutschland konnten in einer Studie[] fünf verschiedene Mentoringarten ausgemacht werden:

  1. Hierarchischen interkulturelles Mentoring: Beim hierarchischen interkulturellen Mentoring begleitet eine Führungskraft einen Mitarbeit, der als Führungskräftenachwuchs gilt. Auch wenn das Mentoring zu Beginn hierarchisch angelegt ist, kann es sich im Laufe der Zeit in eine gleichgestellte Mentoringbeziehung verwandeln.
  2. Interkulturelles Peermentoring: Hierarchisch gleichgestellte Partner, die unterschiedlichen Kulturen angehören, unterstützen sich gegenseitig beim interkulturellen Peermentoring. Die Mitarbeiter können am selben oder an unterschiedlichen Standorten der Organisation arbeiten.
  3. Mentoring für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund: Der Mentor ist häufig ein Mitarbeiter ohne Migrationshintergrund und der Mentee ein Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Jedoch kann die Konstellation von Mentor und Mentee auch umgekehrt besetzt werden.
  4. Expatriate Mentoring: Beim Expatriate Mentoring ist der Mentee ein entsendeter Mitarbeiter des deutschen Standortes, der durch einen fremdkulturellen Mitarbeiter am ausländischen Standort betreut wird. Diese Mentoringbeziehung kann auch schon vor der Entsendung als Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt etabliert werden.
  5. Impatriate Mentoring: Ein Mitarbeiter eines nicht in Deutschland liegenden Standortes wird nach Deutschland entsendet. Dort wird der Mitarbeiter als Mentee durch einen für ihn fremdkulturellen Mentor betreut, bei dem es sich meistens um einen deutschen Mitarbeiter mit oder ohne Migrationshintergrund handelt. Auch das Impatriate Mentoring kann schon vor Beginn des Einsatzes anfangen.

Auch für Repatriates kann ein Mentoring nach Rückkehr in die Heimatorganisation hilfreich sein. Streng genommen zählt das Repatriate Mentoring allerdings nicht als interkulturelles Mentoring, da die Rolle des Mentors ein Mitarbeiter aus der Heimatorganisation übernimmt, der in der Regel derselben Kultur angehört. Der Mentor kann dem Repatriate unter anderem bei der Suche nach einer passenden Position nach dem Ende der Auslandsentsendung helfen.[]

Formen des (interkulturellen) Mentorings

Interkulturelle Mentoringbeziehungen können sich, ebenso wie nicht-interkulturelle, in ihrer Form unterscheiden:

Informelle Mentoringbeziehungen entstehen von selbst und werden von Mentor und Mentee eigenverantwortlich ohne weitere Unterstützung durchgeführt. Gründe für die Entwicklung eines informellen Mentorings sind z.B. Sympathie und wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Mentor und Mentee. Die Dauer von solchen Mentorings wird zwischen drei und sechs Jahren angesetzt und die Ziele können selbst festgelegt werden. Hingegen werden formelle Mentoringbeziehungen durch Dritte vermittelt und im gesamten Verlauf durch die Organisation unterstützt. Die Mentoringbeziehung unterliegt einer vorgegebenen Struktur der Organisation und ist oft an organisatorische Ziele gekoppelt. Zum Teil werden Mentoren und Mentees durch spezielle Matchingverfahren zusammengeführt und vor Beginn des Mentorenprogramms auf ihre Rollen vorbereitet. Die Dauer von formellen Mentorings liegt zwischen sechs bis fünfzehn Monaten.[]

Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist die Position des Mentors und des Mentees in der Organisation. In hierarchischen Mentoringbeziehungen hat der Mentor eine höhere Position inne als der Mentee. Im Gegensatz dazu sind in lateralen Mentoringbeziehungen die Mentoringpartner in der Organisation gleichgestellt. Diese Einordnung ist jedoch nicht als starr zu verstehen, sondern vielmehr als zwei Pole zwischen denen Abstufungen existieren.

Mentoringbeziehungen können außerdem als organisationsintern und organisationsextern differenziert werden. Organisationsinternes Mentoring findet räumlich gesehen nur an einem Standort der Organisation statt. Während sich organisationsexterne Mentoringbeziehungen über mehr als einen Standort im In- oder Ausland erstrecken.[]

In der Regel herrscht bei Mentoringbeziehungen ein 1:1 Verhältnis zwischen Mentor und Mentee. Jedoch lassen sich in neueren Mentoringkonzepten auch andere Formen wiederfinden. Beispielsweise begleitet beim Team Mentoring ein Mentor eine größere Personengruppe. Im Gegensatz dazu gibt es auch Mentoringformen, bei denen der Mentee nacheinander oder gleichzeitig auf verschiedene Mentoren zurückgreifen kann.[]

Chancen und Herausforderungen

Interkulturelle Mentoringprogramme ermöglichen auf einfache Weise den Wissenstransfer in Organisationen und sind eine preiswerte Möglichkeit eine lernende Organisation zu schaffen. In einer effizienten und funktionierenden Mentoringbeziehung profitieren sowohl der Mentee als auch der Mentor von der Partnerschaft. Der Mentee hat mit dem Mentor einen erfahrenen Begleiter an seiner Seite, der ihm Wissen vermittelt, ihn bei der (beruflichen) Weiterentwicklung begleitet oder ihn bei der Integration unterstützt. Der Mentor kann durch die Beziehung zu seinem Mentee neue (berufliche) Perspektiven erlangen, organisationale Anerkennung erfahren oder auch offenes und kritisches Feedback bekommen. Außerdem gewinnt der Mentor an persönlichem Wohlbefinden indem er seine Erfahrung und sein Wissen weitergeben kann.[] Der enge Kontakt und die Erfahrung mit einer fremden Kultur kann für Mentor und Mentee eine persönlich Bereicherung sein, aus der beide Partner profitieren.[] Auch wenn interkulturelle Mentoringbeziehungen in der Literatur oftmals als problematisch dargestellt werden, bergen sie viele Lernmöglichkeiten für alle Beteiligten. Die Problematik solcher Beziehungen wird in der Tatsache gesehen, dass die beteiligten Partner nicht derselben Kultur angehören, was zu Problemen und Missverständnissen führen kann. Jedoch bieten eben diese kulturellen Differenzen viele Lernmöglichkeiten, vorausgesetzt, dass diese Differenzen in der Mentoringbeziehung von beiden Partnern thematisiert werden. Durch die bewusste positive Thematisierung von kulturellen Differenzen, können bisher unreflektierte und starre Organisationsstrukturen verändert werden. Auf diese Weise können Benachteiligungen bestimmter Gruppen behoben werden, die auf diese starren Strukturen zurückzuführen sind.[]

Kulturelle Differenzen sind nicht die einzigen Faktoren, die eine interkulturelle Mentoringbeziehung und deren Erfolg beeinflussen. Auch Identitätsmerkmale wie Alter, Geschlecht, Position und Betriebszugehörigkeit spielen eine Rolle. Ob der Mentor oder der Mentee bereits Erfahrung mit Mentoring gemacht haben hat ebenfalls Einfluss auf die Beziehung. Wichtig und ausschlaggebend für den Erfolg der Mentoringbeziehung ist die Motivation zur Teilnahme von Mentor und Mentee. Erstrebenswert ist bei der Beziehung zwischen Mentor und Mentee, dass das Verhältnis zwischen Gemeinsamkeiten und Unterschieden ausgewogen ist, damit trotz der Differenzen Gemeinsamkeiten thematisiert werden können. Die Art, die Form und die Dauer des Mentorings wirkt sich ebenso auf die Wirkungsweise der Mentoringbeziehung aus wie die Tatsache, ob und wie die Beziehung durch Dritte veranlasst und begleitet wird. Von der Organisation ausgehend spielt vor allem die Unterstützung durch das Top Management eine bedeutende Rolle. Das Verständnis und die Umsetzung von Interkulturalität und Diversity innerhalb der Organisation hat ebenfalls Einfluss auf das Mentoringprogramm. Die Organisation und die Begleitung des Programms durch die Organisation können einen großen Unterschied für die Mentoringbeziehung bedeuten. Begleitprogramme, wie z.B. Trainings zur interkulturellen Kompetenz, können sinnvoll sein, da sie ein gegenseitiges Lernen erleichtern und den Vertrauensbildungsprozess unterstützen. Auf gesellschaftlicher Ebene haben unter anderem die (kulturelle) Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt, die Gesetzgebung und die soziale, rechtliche und ökonomische Stellung von Migranten und Ausländern Einfluss auf die Beziehung zwischen Mentor und Mentee.[]

Die wichtigsten Säulen in der Beziehung zwischen Mentor und Mentee sind Vertrauen und Verständnis. Das Vertrauen zwischen Mentor und Mentee ist in interkulturellen Mentoringbeziehungen noch wichtiger als in nicht-interkulturellen Mentoringbeziehungen. Deshalb müssen (kulturelle) Differenzen in der Beziehung thematisiert und reflektiert werden, auch in Bezug auf vergangene geschichtliche Ereignisse und Hintergründe. Nur so kann Verständnis für den Anderen entstehen und Vertrauen geschaffen werden. Die Herausforderung dabei ist immer den Partner nicht als Kategorie (der anderen Kultur) sondern als Person zu sehen.[]

Mentoringprogramme verlaufen oft erfolgreich für Mentor und Mentee, jedoch können diese auch uneffektiv sein oder den Beteiligten sogar schaden. Das kann der Fall sein, wenn der Mentee nicht bereit ist zu lernen oder einer der Partner weniger Motivation und Engagement für die Beziehung aufbringt. Uneffektiv und schädlich sind Mentoringprogramme dann, wenn die Kosten den Nutzen der Mentoringbeziehung überschreiten oder wenn es zu Sabotage der einen Seite gegenüber dem Partner kommt. Gefahren von uneffektiven Mentorings sind beispielsweise ein geschwächtes Selbstwertgefühl des Mentees, geringere Arbeitszufriedenheit, Stress und Angst. Eine weitere Gefahr, die Mentoringbeziehungen mit sich bringen ist die Abhängigkeit des Mentees vom Mentor. Außerdem kann eine emotionale Verbindlichkeit, insbesondere zwischen Partnern unterschiedlichen Geschlechts, entstehen.[]

Da die Forschung zu interkulturellen Mentoring noch am Anfang steht, können noch keine genauen Aussagen über die Effizienz von interkulturellen Mentoringprogrammen gemacht werden. Bisher geht die Forschung überwiegend von einem westlichen Kontext aus. Generell werden aber kulturelle Unterschiede im Verhalten von Mentees in Mentoringbeziehungen erwartet.[]

Interkulturelles Mentoring in Deutschland

In Deutschland sind Impat- und Expatmentorings die am häufigsten vertretenen Arten des interkulturellen Mentorings. Jedoch gehören interkulturelle Mentoring bisher nicht zum Standardrepertoire der Mentoringprogramme von Unternehmen. Das liegt vor allem an der Fokussierung auf die Wiedereingliederung nach der Entsendung und dem sachorientierten Umgang mit der Entsendung deutscher Unternehmen. Der interkulturellen Herausforderung von Expatriates wird im Vergleich zu Themen wie Vergütung, Versicherung, Wohnraum, etc. ein zu geringerer Stellenwert zugemessen. Dasselbe gilt auch für Impatriates, die nach Deutschland entsendet werden.[]

Literatur

Forum Mentoring – Bundesverband Mentoring in der Wissenschaft: http://www.forum-mentoring.de

Herbolzheimer, A. M. (2009).: Interkulturelle Arbeitswelt - Herausforderungen und Unterstützungsmaßnahmen. Organisationsberatung, Supervision, Coaching (OSC), Ausgabe 3/2009, S. 261-275.

Höher, F.: Vernetztes Lernen im Mentoring - Eine Studie zur nachhaltigen Wirkung und Evaluation von Mentoring. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2014.

Johnson-Bailey, J. & Cervero, R. M. (2002): Cross-cultural mentoring as a context for learning. New Directions for Adult and Continuing Education, Ausgabe 96, S. 15-26.

Stöger, H., Ziegler, A. & Schimke, D. (Hrsg.): Mentoring: Theoretische Hintergründe, empirische Befunde und praktische Anwendungen. Pabst Science Publisher, Lengerich/Berlin/Wien 2009.

Voigt, V.: Interkulturelles Mentoring made in Germany - Zum Cultural Diversity Management in multinationalen Unternehmen. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2013.

Williams, J. & Schwiebert, V. L.: Multicultural aspects of the mentoring process. In: Schwiebert, V.L. (Ed.): Mentoring: Creating Connected, Empowered Relationships. American Counseling Association. Alexandria, VA, USA 2000.

Einzelnachweise