Internetbasierte interkulturelle Planspiele: Unterschied zwischen den Versionen

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(Lernziel und Zielgruppe internetbasierter interkultureller Planspiele)
 
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Internetbasierte [[Interkulturelle Planspiele|interkulturelle Planspiele]] stellen einen Übungstypen zur interkulturellen Kompetenzentwicklung dar. Hierbei treten die Teilnehmenden im Rahmen eines Planspielszenarios mit Hilfe des Internets in Interaktion mit anderen Trainees, wodurch Interkulturalität thematisiert und generiert wird<ref>Bolten, J. (2014): ''Typologie interkultureller Übungen. Übungsleitfaden.'' Jena: o.V. S. 22.</ref>.
Interkulturelle Planspiele
 
  
Interkulturelle Planspiele, als Übung zur interkulturellen Kompetenzentwicklung, unterscheiden sich von interkulturellen Rollenspielen, Simulationen und Projekten. In interkulturellen Planspielen nehmen die Teilnehmer keine Rolle ein, sondern bleiben sie selbst und bearbeiten in Interaktion mit anderen Trainees einen Fall. Das Szenario und die Trainingsziele werden den Teilnehmern von interkulturellen Trainern oder Coaches vorgegeben. Die Teilnehmer bringen als Protagonisten das Planspielszenario aus ihrem eigenen Kultur- und Sozialisationskontext heraus zum Ausgang. Das bedeutet, dass die Lösung des Falls anfangs inhaltlich offen bleibt und nur die Teilnehmer über diesen entscheiden. Ein Planspielszenario könnte folgender Fall sein:
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== Konzept/Idee ==
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Im Zuge der medientechnologischen Neuerungen können [[Interkulturelle Planspiele|interkulturelle Planspiele]] auch online stattfinden. Die ureigene Beziehungsfunktion des Internets, also die internationale Vernetzung, kann dabei direkt in den Lernprozess mit eingebunden werden. Bei internetbasierten interkulturellen Planspielen sind die Teilnehmer nicht direkt vor Ort, sondern treffen sich im Internet auf dafür vorgesehenen Plattformen. Internetbasierte interkulturelle Planspiele können in verschiedenen Ländern synchron durchgeführt werden und damit Interkulturalität nicht nur thematisieren sondern auch generieren<ref>Bolten, Jürgen (2010): Interkulturelle Kompetenzvermittlung via Internet. In: P. Wordelmann (Hrsg.) S. 101, 107. (2010): ''Internationale Kompetenzen in der Berufsbildung.'' Bielefeld: Bertelsmann, 101-114. </ref>. Oftmals sind Fremdsprachengebrauch, Zeitverschiebung und unterschiedliche Denk- und Handlungsstile real gegeben. Internetbasierte interkulturelle Planspiele zeichnen sich durch eine geringe Steuerung der Trainer und die Unerlässlichkeit von bi- bzw. multikulturell besetzten Teilnehmergruppen aus.  
  
''Teilnehmer nehmen an einem Unternehmensplanspiel teil. Es setzt sich aus etwa vier Teams aus unterschiedlichen Ländern oder Kontexten zusammen. Diese Teams sollen mittels Zweier-Kooperationen Gewinne im Wettbewerb auf fiktiven Produktmärkten erzielen.''
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Dennoch stellen internetbasierte interkulturelle Planspiele keine Revolution im Vergleich zu konventionell angewandten, nicht im Internet stattfindenden Planspielen, dar. Die angewandte Methode bleibt vielmehr die gleiche, die Umsetzung durch das Internet bringt allerdings neue Möglichkeiten mit sich, wie die einfachere tatsächliche Generierung von Interkulturalität.  
  
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Der genaue Ablauf von internetbasierten interkulturellen Planspielen variiert je nach Planspiel, dennoch ist er bestimmt durch die Phasen „Briefing“, „Gaming“ und „Debriefing“.<ref>Fürstenau, B. (2006): Planspiel und Simulation. In: Arnold, K.-H. (Hrsg.): ''Handbuch Unterricht.'' Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 317–322.</ref> Die Teilnehmenden treten hierbei jedoch an Computerarbeitsplätzen mithilfe von Mikrofonen, Video- und Chatfunktion in Interaktion mit Teilnehmenden an anderen Standorten. Ein Beispiel mit genauer Beschreibung des Ablaufs findet sich in der weiterführenden Literatur.
  
===== Internetbasierte interkulturelle Planspiele =====
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== Lernziel und Zielgruppe internetbasierter interkultureller Planspiele ==
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Das Lernziel von internetbasierten interkulturellen Planspielen kann variieren und ist oftmals durch den Auftraggeber vorgegeben. Generell gilt es über die interkulturelle Zusammenarbeit von kulturell homogen oder heterogen besetzten Traineegruppen, interkulturelle Interaktion zu initiieren, Teamsynergien zu fördern und interkulturelle Lernprozesse anzustoßen. Grundsätzlich gleichen sich die Lernziele von interkulturellen Planspielen, die in [[Interkulturelle Präsenz-Planspiele|Präsenztrainings]] durchgeführt werden, und [[Internetbasierte interkulturelle Planspiele|internetbasierten interkulturellen Planspielen]].
  
Im Zuge der medientechnologischen Neuerungen können interkulturelle Planspiele auch online stattfinden. Die ureigene Beziehungsfunktion des Internets, also die internationale Vernetzung, kann dabei direkt in den Lernprozess mit eingebunden werden. Bei internetbasierten interkulturellen Planspielen sind die Teilnehmer nicht direkt vor Ort, sondern treffen sich im Internet, auf dafür vorgesehenen Plattformen. Internetbasierte interkulturelle Planspiele können in verschiedenen Ländern synchron spielen und damit Interkulturalität nicht nur thematisieren sondern auch generieren . Oftmals sind Fremdsprachengebrauch, Zeitverschiebung und unterschiedliche Denk- und Handlungsstile real gegeben. Internetbasierte interkulturelle Planspiele zeichnen sich durch eine geringe Steuerung der Trainer und die Unerlässlichkeit von bi- bzw. multikulturell besetzten Teilnehmergruppen aus.
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Die Anwendung internetbasierter interkultureller Planspiele bietet sich unter anderem besonders für Schüler, Studenten und junge Erwachsene an. Mit Hilfe von Plattformen, wie zum Beispiel einem [https://de.wikipedia.org/wiki/Virtuelles_Klassenzimmer Virtual classroom], können Klassen oder Seminargruppen verschiedener Länder über ein gemeinsames Projekt in Kontakt treten. Zudem ist die Anwendung im organisationalen Kontext denkbar. Multinationale agierende Organisationen sind mit Hilfe von internetbasierten interkulturellen Planspielen in der Lage andere Arbeitsstile kennenzulernen oder Teamsynergien zu fördern.<ref>Bolten, J. (2012): ''Interkulturelle Kompetenz.'' Erfurt: Landeszentrale für Polit. Bildung Thüringen. S. 152f.</ref>
  
Dennoch stellen internetbasierte interkulturelle Planspiele keine Revolution im Vergleich zu konventionell angewandten, nicht im Internet stattfindenden Planspielen, dar. Die angewandte Methode bleibt vielmehr die gleiche, die Umsetzung durch das Internet birgt allerdings neue Möglichkeiten, wie die einfachere tatsächliche Generierung von Interkulturalität.  
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Generell setzt sich die Zielgruppe von internetbasierten interkulturellen Planspielen aus Teilnehmern oder Teilnehmergruppen zusammen, die an der multimedialen Umsetzung interkultureller Zusammenarbeit und damit an der interkulturellen Kompetenzentwicklung interessiert sind.
  
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== Chancen und Herausforderungen internetbasierter interkultureller Planspiele ==
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Internetbasierte interkulturelle Planspiele können eine synchrone interkulturelle Zusammenarbeit von Lerngruppen in verschiedenen Ländern realisieren. Durch das gemeinsame Handeln während des Planspiels wird Interkulturalität generiert. Dabei kann das raumunabhängige Lernen als Chance betrachtet werden, da mit Hilfe des Internets Teilnehmergruppen miteinander agieren können, die andernfalls vielleicht nicht die Möglichkeit dazu hätten oder hohe Kosten damit verbunden wären. So beinhalten internetbasierte interkulturelle Planspiele Erfahrungspotentiale zum Beispiel in Bezug auf interkulturelle Teambuildingprozesse, Rollenverhalten und den Transfer in die interkulturelle Praxis. Über internetbasierte interkulturelle Planspiele kann individuelles Wissen und die eigene Erfahrung über Länder- und Unternehmensgrenzen hinweg geteilt werden. Die Teilnehmer haben über das Internet die Möglichkeit Inhalte zu präsentieren, neue Erkenntnisse auf die verwendete Plattform hochzuladen und zu speichern, sodass andere Mitglieder sofort darüber informiert werden können. Diese Methode der interkulturellen Kompetenzvermittlung kann dabei ein ganzheitliches Zusammenspiel aller vier Teilbereiche der interkulturellen Handlungskompetenz – [https://de.wikipedia.org/wiki/Fachkompetenz Sach-], [https://de.wikipedia.org/wiki/Methodenkompetenz Methoden-], [https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Kompetenz Sozial-] und [https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstkompetenz#Bildungswesen Selbstkompetenz] initiieren. Gleichzeitig ermöglicht die internetbasierte Herangehensweise eine einfache und globale Zugänglichkeit.<ref>Patterson, Lynn M. et al (2012): Lessons from a global learning virtual classroom. In: ''Journal of studies in international education 2012'': 16, sage pub. </ref> Generell zählen Planspiele zu den Formen des internetbasierten interkulturellen Lernens mit hohem Entwicklungspotential für die Teilnehmenden. Nichtsdestotrotz stehen noch immer Anwendungen mit geringem Arbeitsaufwand für die Nutzer im Vordergrund.
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Der globale Charakter von internetbasierten interkulturellen Planspielen kann allerdings auch eine Herausforderung darstellen. Sprachprobleme oder Schwierigkeiten in Bezug auf Zeitverschiebung oder unterschiedliche Arbeitsstile können bei diesem Übungstyp auftreten<ref>Bolten, Jürgen (2010): Interkulturelle Kompetenzvermittlung via Internet. In: P. Wordelmann (Hrsg.) S. 101, 107. (2010): ''Internationale Kompetenzen in der Berufsbildung.'' Bielefeld: Bertelsmann, 101-114. </ref>. Diesbezüglich werden hohe Anforderungen an den lokalen Coach oder gegebenenfalls E-Supervisor, etwa interkulturelle Trainer oder Betreuer, gestellt<ref>Bolten, J. (2010): ''Das Internet als Basis transnationalen und interkulturellen Lernens. Der „Intercultural Campus“ als Beispiel.'' In: Das Wort. Germanistisches Lehrbuch Russland, S. 13-28. Verfügbar unter: http://www2.uni-jena.de/philosophie/IWK-neu/typo3/fileadmin/team/juergen.bolten/1001IIntercultural_Campus.pdf.</ref>. Die Anforderungen an die Teilnehmer sind ebenfalls hoch, da internetbasierte interkulturelle Planspiele ein hohes Maß an Selbstorganisation und Selbstdisziplin erfordern. Sie sind inhaltlich offen und gering durch die Trainer gesteuert. Die Verantwortung und Initiative liegt daher bei den Lernenden, da die Steuerungskapazitäten und Strukturierbarkeit des Lernprozesses aufgrund der inhärenten Komplexität sehr gering sind.
  
===== Lernziel und Zielgruppe internetbasierter interkultureller Planspiele =====
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Zu bedenken gilt auch, dass internetbasierte interkulturelle Planspiele eine gute Medienausstattung sowohl bei den Anbietern als auch Nutzern erfordern. Die Teilnehmenden eines internetbasierten interkulturellen Planspiels an den verschiedenen Standorten sollten ausreichend Computerarbeitsplätze mit einer stabilen und ausreichend schnellen Internetverbindung zur Verfügung haben, um erfolgreich kommunizieren zu können.<ref>Bolten, J. (2012): ''Interkulturelle Kompetenz.'' Erfurt: Landeszentrale für Polit. Bildung Thüringen. S. 152f.</ref>
  
Das Lernziel von internetbasierten interkulturellen Planspielen kann variieren und ist oftmals durch den Auftraggeber vorgegeben. Generell gilt es über die interkulturelle Zusammenarbeit von bi- bzw. multikulturell besetzten Traineegruppen, interkulturelle Interaktion zu initiieren, Teamsynergien zu fördern und interkulturelle Lernprozesse anzustoßen. Grundsätzlich gleichen sich die Lernziele von interkulturellen Planspielen und internetbasierten interkulturellen Planspielen.  
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Besonders zu beachten ist, dass Planspiele, wie auch alle anderen Methoden zur interkulturellen Kompetenzentwicklung, immer in bestimmten kulturspezifischen Kontexten entwickelt worden sind. Diese dürfen daher nicht unreflektiert in eher fremde Kontexte implementiert werden. Vielmehr sollten die Trainer die Passfähigkeit dieser Methode in Bezug auf die Zielgruppe, das Lernziel, den Lehr- und Lernkontext und den Inhalt prüfen.  
Die Vermittlung interkultureller Kompetenz über unterschiedliche inhaltliche und methodische Schwerpunkte steht stets im Vordergrund. Internetbasierte interkulturelle Planspiele können die Vermittlung aller vier Teilbereiche der interkulturellen Kompetenzvermittlung – interkulturelle Sachkompetenz, interkulturelle Methodenkompetenz, interkulturelle Sozialkompetenz und interkulturelle Selbstkompetenz, gleichzeitig zum Lernziel haben. Mittels internetbasierter interkultureller Planspiele können die Teilnehmer demnach lernen, ihr Fachwissen anzuwenden und zu vermitteln, indem sie im Planspiel bspw. Führungsgrundsätze formulieren. In Bezug auf die interkulturelle Methodenkompetenz können Teilnehmer ihre Entscheidungs- und Problemlösefähigkeit trainieren, indem sie etwa Entscheidungen unter Zeitdruck treffen oder Aufgaben koordinieren müssen. Die Selbststeuerungsfähigkeit und Lernbereitschaft bezüglich der interkulturellen Selbstkompetenz kann beim Bestreiten fremdsprachlicher Kontexte trainiert werden. Und hinsichtlich der interkulturellen Sozialkompetenz ist es über internetbasierte interkulturelle Planspiele auch möglich z.B. Empathie und Teamfähigkeit über die Kommunikation der Teilnehmer und das gemeinsame Aushandeln von Handlungsspielräumen auszubilden.  
 
  
Die Anwendung internetbasierter interkultureller Planspiele bietet sich unter anderem für Schüler, Studenten und junge Erwachsene an. Mit Hilfe von Plattformen, wie bspw. Virtuell Classrooms, können Klassen oder Seminargruppen verschiedener Länder über ein gemeinsames Projekt in Kontakt treten. Zudem ist die Anwendung im organisatorischen Kontext denkbar. Unternehmen sind mit Hilfe von internetbasierten interkulturellen Planspielen bspw. in der Lage in der Zusammenarbeit mit globalen Unternehmen oder internationalen Unternehmensbereichen andere Arbeitsstile kennenzulernen oder Teamsynergien zu fördern. Generell setzt sich die Zielgruppe von internetbasierten interkulturellen Planspielen aus Teilnehmern oder Teilnehmergruppen zusammen, die an der multimedialen Umsetzung interkultureller Zusammenarbeit und damit an der interkulturellen Kompetenzentwicklung interessiert sind.  
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In diesem Zusammenhang gilt es wiederum, eine ausführliche Reflexion zu den genannten Aspekten in der „Debriefing“-Phase vorzunehmen, ohne eine Tendenz zur Stereotypisierung zu schaffen. Da das „Debriefing“ für die Gesamtgruppe im Regelfall virtuell stattfindet, kann es zu einem Informationsverlust kommen, wenn dafür relevante Geschehnisse während des Spielverlaufs nicht von den Kameras oder durch das Chatprotokoll festgehalten wurden. Außerdem kann es zu Fehlinterpretationen kommen, wenn Mimik und Gestik der Teilnehmenden nur schlecht oder gar nicht erkennbar sind. Hier gilt es auch zu beachten, dass diese auch kulturell geprägt sein können.
  
===== Einordnung in die Methodenlandkarte =====
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== Siehe auch ==
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* [[Interkulturelle Präsenz-Planspiele]]
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* [[Interkulturelle Planspiele]]
  
Übungen zur interkulturellen Kompetenzentwicklung, wie auch internetbasierte interkulturelle Planspiele, lassen sich in eine Methodenlandkarte einordnen. Die Landkarte klassifiziert Übungstypen und Aufgaben der interkulturellen Kompetenzentwicklung mit unterschiedlichen inhaltlichen und methodischen Schwerpunkten . Die Anwendung unterschiedlicher Übungen ist erforderlich, um verschiedenen Bildungssozialisationen der Teilnehmer entgegenzukommen.
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== Weiterführende Links und Literatur ==
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* Informationen zum Unternehmensplanspiel ‚InterCulture 2.0‘: http://www.intercultural-campus.org/online-planspiel.
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* Eine detaillierte Erläuterung des Ablaufs von Interculture 2.0. : Bolten, J. (2010): Das Internet als Basis transnationalen und interkulturellen Lernens. Der „Intercultural Campus“ als Beispiel. In: Das Wort. Germanistisches Lehrbuch Russland, 13-28. S. 20f, Verfügbar unter: http://www2.uni-jena.de/philosophie/IWK-neu/typo3/fileadmin/team/juergen.bolten/1001IIntercultural_Campus.pdf.
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* Strohschneider, S. (2010): Planspiele und Computersimulationen. In: Weidemann, A., Straub, J., Nothnagel, S. (Hrsg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung: ein Handbuch. Bielefeld: transcript (Kultur und soziale Praxis), S. 241–264.
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* Högsdal, N. (2011): Serious Games, Simulationen und Planspiele: same but different? In: Maren Helm (Hrsg.): Digitale Lernwelt - Serious Games. Einsatz in der beruflichen Weiterbildung. Bielefeld: Bertelsmann, S. 117–130.
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== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 1. Oktober 2015, 00:34 Uhr

Internetbasierte interkulturelle Planspiele stellen einen Übungstypen zur interkulturellen Kompetenzentwicklung dar. Hierbei treten die Teilnehmenden im Rahmen eines Planspielszenarios mit Hilfe des Internets in Interaktion mit anderen Trainees, wodurch Interkulturalität thematisiert und generiert wird[1].

Konzept/Idee

Im Zuge der medientechnologischen Neuerungen können interkulturelle Planspiele auch online stattfinden. Die ureigene Beziehungsfunktion des Internets, also die internationale Vernetzung, kann dabei direkt in den Lernprozess mit eingebunden werden. Bei internetbasierten interkulturellen Planspielen sind die Teilnehmer nicht direkt vor Ort, sondern treffen sich im Internet auf dafür vorgesehenen Plattformen. Internetbasierte interkulturelle Planspiele können in verschiedenen Ländern synchron durchgeführt werden und damit Interkulturalität nicht nur thematisieren sondern auch generieren[2]. Oftmals sind Fremdsprachengebrauch, Zeitverschiebung und unterschiedliche Denk- und Handlungsstile real gegeben. Internetbasierte interkulturelle Planspiele zeichnen sich durch eine geringe Steuerung der Trainer und die Unerlässlichkeit von bi- bzw. multikulturell besetzten Teilnehmergruppen aus.

Dennoch stellen internetbasierte interkulturelle Planspiele keine Revolution im Vergleich zu konventionell angewandten, nicht im Internet stattfindenden Planspielen, dar. Die angewandte Methode bleibt vielmehr die gleiche, die Umsetzung durch das Internet bringt allerdings neue Möglichkeiten mit sich, wie die einfachere tatsächliche Generierung von Interkulturalität.

Der genaue Ablauf von internetbasierten interkulturellen Planspielen variiert je nach Planspiel, dennoch ist er bestimmt durch die Phasen „Briefing“, „Gaming“ und „Debriefing“.[3] Die Teilnehmenden treten hierbei jedoch an Computerarbeitsplätzen mithilfe von Mikrofonen, Video- und Chatfunktion in Interaktion mit Teilnehmenden an anderen Standorten. Ein Beispiel mit genauer Beschreibung des Ablaufs findet sich in der weiterführenden Literatur.

Lernziel und Zielgruppe internetbasierter interkultureller Planspiele

Das Lernziel von internetbasierten interkulturellen Planspielen kann variieren und ist oftmals durch den Auftraggeber vorgegeben. Generell gilt es über die interkulturelle Zusammenarbeit von kulturell homogen oder heterogen besetzten Traineegruppen, interkulturelle Interaktion zu initiieren, Teamsynergien zu fördern und interkulturelle Lernprozesse anzustoßen. Grundsätzlich gleichen sich die Lernziele von interkulturellen Planspielen, die in Präsenztrainings durchgeführt werden, und internetbasierten interkulturellen Planspielen.

Die Anwendung internetbasierter interkultureller Planspiele bietet sich unter anderem besonders für Schüler, Studenten und junge Erwachsene an. Mit Hilfe von Plattformen, wie zum Beispiel einem Virtual classroom, können Klassen oder Seminargruppen verschiedener Länder über ein gemeinsames Projekt in Kontakt treten. Zudem ist die Anwendung im organisationalen Kontext denkbar. Multinationale agierende Organisationen sind mit Hilfe von internetbasierten interkulturellen Planspielen in der Lage andere Arbeitsstile kennenzulernen oder Teamsynergien zu fördern.[4]

Generell setzt sich die Zielgruppe von internetbasierten interkulturellen Planspielen aus Teilnehmern oder Teilnehmergruppen zusammen, die an der multimedialen Umsetzung interkultureller Zusammenarbeit und damit an der interkulturellen Kompetenzentwicklung interessiert sind.

Chancen und Herausforderungen internetbasierter interkultureller Planspiele

Internetbasierte interkulturelle Planspiele können eine synchrone interkulturelle Zusammenarbeit von Lerngruppen in verschiedenen Ländern realisieren. Durch das gemeinsame Handeln während des Planspiels wird Interkulturalität generiert. Dabei kann das raumunabhängige Lernen als Chance betrachtet werden, da mit Hilfe des Internets Teilnehmergruppen miteinander agieren können, die andernfalls vielleicht nicht die Möglichkeit dazu hätten oder hohe Kosten damit verbunden wären. So beinhalten internetbasierte interkulturelle Planspiele Erfahrungspotentiale zum Beispiel in Bezug auf interkulturelle Teambuildingprozesse, Rollenverhalten und den Transfer in die interkulturelle Praxis. Über internetbasierte interkulturelle Planspiele kann individuelles Wissen und die eigene Erfahrung über Länder- und Unternehmensgrenzen hinweg geteilt werden. Die Teilnehmer haben über das Internet die Möglichkeit Inhalte zu präsentieren, neue Erkenntnisse auf die verwendete Plattform hochzuladen und zu speichern, sodass andere Mitglieder sofort darüber informiert werden können. Diese Methode der interkulturellen Kompetenzvermittlung kann dabei ein ganzheitliches Zusammenspiel aller vier Teilbereiche der interkulturellen Handlungskompetenz – Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz initiieren. Gleichzeitig ermöglicht die internetbasierte Herangehensweise eine einfache und globale Zugänglichkeit.[5] Generell zählen Planspiele zu den Formen des internetbasierten interkulturellen Lernens mit hohem Entwicklungspotential für die Teilnehmenden. Nichtsdestotrotz stehen noch immer Anwendungen mit geringem Arbeitsaufwand für die Nutzer im Vordergrund.

Der globale Charakter von internetbasierten interkulturellen Planspielen kann allerdings auch eine Herausforderung darstellen. Sprachprobleme oder Schwierigkeiten in Bezug auf Zeitverschiebung oder unterschiedliche Arbeitsstile können bei diesem Übungstyp auftreten[6]. Diesbezüglich werden hohe Anforderungen an den lokalen Coach oder gegebenenfalls E-Supervisor, etwa interkulturelle Trainer oder Betreuer, gestellt[7]. Die Anforderungen an die Teilnehmer sind ebenfalls hoch, da internetbasierte interkulturelle Planspiele ein hohes Maß an Selbstorganisation und Selbstdisziplin erfordern. Sie sind inhaltlich offen und gering durch die Trainer gesteuert. Die Verantwortung und Initiative liegt daher bei den Lernenden, da die Steuerungskapazitäten und Strukturierbarkeit des Lernprozesses aufgrund der inhärenten Komplexität sehr gering sind.

Zu bedenken gilt auch, dass internetbasierte interkulturelle Planspiele eine gute Medienausstattung sowohl bei den Anbietern als auch Nutzern erfordern. Die Teilnehmenden eines internetbasierten interkulturellen Planspiels an den verschiedenen Standorten sollten ausreichend Computerarbeitsplätze mit einer stabilen und ausreichend schnellen Internetverbindung zur Verfügung haben, um erfolgreich kommunizieren zu können.[8]

Besonders zu beachten ist, dass Planspiele, wie auch alle anderen Methoden zur interkulturellen Kompetenzentwicklung, immer in bestimmten kulturspezifischen Kontexten entwickelt worden sind. Diese dürfen daher nicht unreflektiert in eher fremde Kontexte implementiert werden. Vielmehr sollten die Trainer die Passfähigkeit dieser Methode in Bezug auf die Zielgruppe, das Lernziel, den Lehr- und Lernkontext und den Inhalt prüfen.

In diesem Zusammenhang gilt es wiederum, eine ausführliche Reflexion zu den genannten Aspekten in der „Debriefing“-Phase vorzunehmen, ohne eine Tendenz zur Stereotypisierung zu schaffen. Da das „Debriefing“ für die Gesamtgruppe im Regelfall virtuell stattfindet, kann es zu einem Informationsverlust kommen, wenn dafür relevante Geschehnisse während des Spielverlaufs nicht von den Kameras oder durch das Chatprotokoll festgehalten wurden. Außerdem kann es zu Fehlinterpretationen kommen, wenn Mimik und Gestik der Teilnehmenden nur schlecht oder gar nicht erkennbar sind. Hier gilt es auch zu beachten, dass diese auch kulturell geprägt sein können.

Siehe auch

Weiterführende Links und Literatur

  • Informationen zum Unternehmensplanspiel ‚InterCulture 2.0‘: http://www.intercultural-campus.org/online-planspiel.
  • Eine detaillierte Erläuterung des Ablaufs von Interculture 2.0. : Bolten, J. (2010): Das Internet als Basis transnationalen und interkulturellen Lernens. Der „Intercultural Campus“ als Beispiel. In: Das Wort. Germanistisches Lehrbuch Russland, 13-28. S. 20f, Verfügbar unter: http://www2.uni-jena.de/philosophie/IWK-neu/typo3/fileadmin/team/juergen.bolten/1001IIntercultural_Campus.pdf.
  • Strohschneider, S. (2010): Planspiele und Computersimulationen. In: Weidemann, A., Straub, J., Nothnagel, S. (Hrsg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung: ein Handbuch. Bielefeld: transcript (Kultur und soziale Praxis), S. 241–264.
  • Högsdal, N. (2011): Serious Games, Simulationen und Planspiele: same but different? In: Maren Helm (Hrsg.): Digitale Lernwelt - Serious Games. Einsatz in der beruflichen Weiterbildung. Bielefeld: Bertelsmann, S. 117–130.

Einzelnachweise

  1. Bolten, J. (2014): Typologie interkultureller Übungen. Übungsleitfaden. Jena: o.V. S. 22.
  2. Bolten, Jürgen (2010): Interkulturelle Kompetenzvermittlung via Internet. In: P. Wordelmann (Hrsg.) S. 101, 107. (2010): Internationale Kompetenzen in der Berufsbildung. Bielefeld: Bertelsmann, 101-114.
  3. Fürstenau, B. (2006): Planspiel und Simulation. In: Arnold, K.-H. (Hrsg.): Handbuch Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 317–322.
  4. Bolten, J. (2012): Interkulturelle Kompetenz. Erfurt: Landeszentrale für Polit. Bildung Thüringen. S. 152f.
  5. Patterson, Lynn M. et al (2012): Lessons from a global learning virtual classroom. In: Journal of studies in international education 2012: 16, sage pub.
  6. Bolten, Jürgen (2010): Interkulturelle Kompetenzvermittlung via Internet. In: P. Wordelmann (Hrsg.) S. 101, 107. (2010): Internationale Kompetenzen in der Berufsbildung. Bielefeld: Bertelsmann, 101-114.
  7. Bolten, J. (2010): Das Internet als Basis transnationalen und interkulturellen Lernens. Der „Intercultural Campus“ als Beispiel. In: Das Wort. Germanistisches Lehrbuch Russland, S. 13-28. Verfügbar unter: http://www2.uni-jena.de/philosophie/IWK-neu/typo3/fileadmin/team/juergen.bolten/1001IIntercultural_Campus.pdf.
  8. Bolten, J. (2012): Interkulturelle Kompetenz. Erfurt: Landeszentrale für Polit. Bildung Thüringen. S. 152f.