Interkulturelle Planspiele

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Einordnung interkultureller Planspiele in die Methodenlandkarte für Maßnahmen zur interkulturellen Personalentwicklung

Interkulturelle Planspiele stellen einen Übungstypen zur interkulturellen Kompetenzentwicklung im Rahmen von interkulturellen Trainings dar. Im Rahmen eines Planspielszenarios treten die Teilnehmenden als Protagonisten in Interaktion mit anderen Trainees, wodurch Interkulturalität thematisiert und generiert wird.[1] Interkulturelle Planspiele können in Präsenz-Form oder in virtueller Form realisiert werden.

Konzept/Idee

Ausgangspunkt oder Kontext für das Planspielszenario bildet eine Fallstudie, die möglichst konkret und authentisch sein sollte. Interkulturelle TrainerInnen oder Coaches, welche das Planspiel leiten, verbergen den realen Ausgang der Fallstudie, legen jedoch das Ziel fest. Die Teilnehmenden versuchen nun als Protagonisten den Fall „aus ihrem eigenen Kultur- und Sozialisationskontext heraus“ zum Abschluss zu bringen, das heißt dass die Lösung des Falls anfangs inhaltlich offen bleibt und allein die Teilnehmenden darüber entscheiden. Bei der Interaktion mit den anderen Trainees behält der Teilnehmende jedoch seine eigene Rolle und Funktion. Dies unterscheidet Planspiele von Rollenspielen, Simulationen und Projekten.[2] Die Durchführung interkultureller Planspiele besteht im Idealfall aus den Phasen „Briefing“, „Gaming“ und „Debriefing“. Im „Briefing“ werden die Teilnehmenden mit dem Planspielszenario (Ausgangslage, Regeln und Ziele des Spiels, etc.) vertraut gemacht. Im „Gaming“ werden für jede Spielperiode konkrete Maßnahmen geplant, Entscheidungen getroffen und Handlungen ausgeführt, welche vom Spielleitenden entsprechend des zugrunde liegenden Modells verarbeitet werden und deren Auswirkungen auf den Spielverlauf wieder an die Teilnehmenden gespiegelt werden. Je nach Planspiel wird dieser Vorgang n-mal wiederholt. Im „Debriefing“ werden die Spielergebnisse und Spielerfahrungen reflektiert. Im Idealfall können gewonnene Erfahrungen bereits auf die Praxis übertragen werden.[3] Der konzeptionelle Rahmen von interkulturellen Planspielen kann auch gemäß dem Erfahrungsbasierten Lernzyklus nach Kolb fundiert werden.[4]

Anwendungsbereiche und Lernziele interkultureller Planspiele

Interkulturelle Planspiele kommen zur Anwendung, wenn die Entwicklung von interkultureller Kompetenz im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen eine wesentliche Rolle spielt. Das interaktive Format von interkulturellen Planspielen erfordert von den Teilnehmenden, deren interkulturelle Handlungsfähigkeit, das heißt der Transfer der individuellen Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz auf eine unsichere und unbekannte Situation, unter Beweis zu stellen.[5] Zu beachten gilt, dass dieser Übungstyp seine volle Wirkung nur entfalten kann, wenn das reine Spielen mit wissenschaftlicher Theorie, z.B. zu Kommunikationsstilen, und einer ausführlichen Reflexionsphase kombiniert wird. Je nach Kontext können verschiedene Lernzielbereiche definiert werden und individuell schwerpunktmäßig gewichtet werden:

  1. „der Erwerb konkreter Techniken der Kommunikation und Interaktion in multikulturellen Teams, Prozesse des Austausch von Information und der Entscheidungsfindung, Regeln für interkulturelle Verhandlungsführung, ggf. auch in Nicht-Muttersprachen;
  2. interkulturelle Sensibilisierung, Bewusstwerden der spezifischen Schwierigkeiten und Fallgruben interkultureller Zusammenarbeit;
  3. Anwendung theoretischen Wissens in realitätsnahen interkulturellen Kontexten, Förderung des interkulturellen Verständnisses und der Fähigkeiten zur ‚isomorphen Attribution’;
  4. Erwerb von praktischen Erfahrungen im Umgang mit länderspezifischen Kommunikations- und Interaktionsstilen.“[6]

Zielgruppe

Exakte Zielgruppen für interkulturelle Planspiele zu benennen ist difizil, da diese eine große Variabilität hinsichtlich der Teilnehmerzahl (z.B. von einigen wenigen bis hin zu rund 20), der Teilnehmerrollen (keinerlei Vorgaben vs. sehr differenzierte Rollenbeschreibungen) oder der Spieldauer (20 Minuten bis zu mehreren Tagen) aufweisen.[7] Demzufolge gilt es, für die zu trainierende Zielgruppe ein Planspiel auszuwählen, welches die optimalen Bedingungsfaktoren für diese darbietet. Häufig werden die interkulturellen Planspiele im Hochschul- und im Unternehmenskontext sowohl für kulturell homogene als auch heterogene Gruppen eingesetzt, um die vorher genannten Lernziele zu erreichen.

Herausforderungen und Chancen

Interkulturelle Planspiele unterscheiden sich von anderen traditionelleren, distributiven Trainingsformen hinsichtlich der Interaktion, die zwischen den Teilnehmenden entsteht. Aus diesem Grund lässt sich ein hoher Grad an Synergie feststellen, der aus der Zusammenarbeit entsteht und welche die einzelnen Teilnehmer alleine nicht erreichen könnten. Darüber hinaus ermöglicht die Kooperation zwischen den Teilnehmenden eine Steigerung ihres Zugehörigkeitsgefühls zu der Gruppe und fördert gleichzeitig ihre Fähigkeit, von den anderen zu lernen. Diese Methode eignet sich deshalb auch für Trainees und ermöglicht das Ausprobieren neuer Verhaltensweisen in einem sicheren Kontext.[8] Die benannten Faktoren können weitgehend als Chancen interkultureller Planspiele betrachtet werden. Andere Vorteile, die diese Übungsmethode mit sich bringt, bestehen in der hohen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an verschiedene Lernziele, Inhalte und Zielgruppen. Weitere Chancen interkultureller Planspiele können außerdem in ihrer Ganzheitlichkeit erkannt werden. Die Vermittlung fremd- bzw. interkultureller Spezifika wird mit der Reflexion des eigenen interkulturellen Verhaltens ergänzt, die während des Debriefings erfolgt, was äußerst positiv zu bewerten ist.

Als Herausforderung ist der Spielcharakter an sich zu sehen, welcher dazu führt, dass sich dem fremdkulturellen Szenario einer realen Entsendungssituation bestenfalls angenähert werden kann. Des Weiteren können mögliche Misserfolge auch der Spielkonzeption und nicht dem eigenen Handeln zugeschrieben werden.[9] In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass das Planspiel an die Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet ist, da sonst Demotivation und mangelnde Beteiligung auftreten können[10]. Außerdem sollten bei der Verwendung von Trainingsmaßnahmen off-the-job wie interkulturellen Planspielen im Unternehmenskontext, z.B. bei Entsendungsprozessen, begleitende Betreuungsmaßnahmen on-the-job in Betracht gezogen werden, um einen optimalen Trainingserfolg zu garantieren[11]. Nicht zu unterschätzen sind die Anforderungen an den Durchführenden eines interkulturellen Planspiels: Besonders in den Phasen des „Gaming“ und „Debriefing“ werden Fähigkeiten wie „Moderation kritischer Teamsituationen, das Auffangen im Spiel ‚abgehängter’, frustrierter, wütender oder aufgrund von subjektiv als falsch erlebten Entscheidungen depressiver Teilnehmer.“[12] Besonders achtgeben sollte man bei der „Debriefing“ Phase: Da eines der Hauptziele interkultureller Planspiele die Schaffung synergiefördernder interkultureller Situationen ist, sollten kulturelle Unterschiede beim Handeln nicht betont werden. Es gilt, eine Tendenz zur Stereotypisierung zu vermeiden, die in Kontrast zum Lernziel des interkulturellen Planspiels steht und die Teilnehmenden verwirren könnte. Die Analyse der Rollen- und Funktionsdifferenzierung, der Prozesssteuerung und der Kommunikationsebenen im Team sind hingegen wesentliche Faktoren, die eine erfolgreiche Reflexion der interkulturellen Handelsprozesse kennzeichnen. Des Weiteren sollte die Reflexion durch gezielte Fragen stimuliert werden und alle Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben werden, einen Redebeitrag in der Diskussion zu leisten.[13]

Siehe Auch

Weiterführende Links und Literatur

Einzelnachweise

  1. Bolten, J. (2014): Typologie interkultureller Übungen. Übungsleitfaden. Jena: o.V. S. 22.
  2. Bolten, J. (2014): Typologie interkultureller Übungen. Übungsleitfaden. Jena: o.V. S. 22.
  3. Fürstenau, B. (2006): Planspiel und Simulation. In: Arnold, K.-H. (Hrsg.): Handbuch Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 317–322.
  4. Strohschneider, S. (2010): Planspiele und Computersimulationen. In: Weidemann, A., Straub, J., Nothnagel, S. (Hrsg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung: ein Handbuch. Bielefeld: transcript (Kultur und soziale Praxis), S. 241–264. S. 248.
  5. Bolten, J. (2012): Interkulturelle Kompetenz. Erfurt: Landeszentrale für Polit. Bildung Thüringen. S. 150.
  6. Strohschneider, S. (2010): Planspiele und Computersimulationen. In: Weidemann, A., Straub, J., Nothnagel, S. (Hrsg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung: ein Handbuch. Bielefeld: transcript (Kultur und soziale Praxis), S. 241–264. S. 249.
  7. Strohschneider, S. (2010): Planspiele und Computersimulationen. In: Weidemann, A., Straub, J., Nothnagel, S. (Hrsg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung: ein Handbuch. Bielefeld: transcript (Kultur und soziale Praxis), S. 241–264. S. 243.
  8. Landis, Dan, Bennet, Janet Marie, Bennet, Milton J. (2004): Handbook of intercultural training, Thousand Oaks: SAGE Publications, S. 63-65. S. 65.
  9. Bolten, J. (2002): Interkulturelle Kompetenz und ganzheitliches Lernen. Zur Theorie und Praxis interkultureller Kompetenzvermittlung in der Wirtschaft. Dokumente 58, 2002, (S. 40-46), S. 43f, online verfügbar unter http://www2.uni-jena.de/philosophie/IWK-neu/typo3/fileadmin/team/juergen.bolten/interkulturelle_kompetenz_ganzheitliches_Lernen_bolten.pdf
  10. Hesselmann, U. (2011): Sinnvolle Integration von Planspielen in Weiterbildungsmaßnahmen am Beispiel von Projektmanagement. S. 221f. In: Hitzler, S., Zürn, B., Trautwein, F. (Hrsg.) (2011): Planspiele - Qualität und Innovation. Neue Ansätze aus Theorie und Praxis. Norderstedt: Books on Demand (ZMS-Schriftenreihe, 2). S. 217-230.
  11. Bolten, J. (2002): Interkulturelle Kompetenz und ganzheitliches Lernen. Zur Theorie und Praxis interkultureller Kompetenzvermittlung in der Wirtschaft. Dokumente 58, 2002, (S. 40-46), S. 44, online verfügbar unter http://www2.uni-jena.de/philosophie/IWK-neu/typo3/fileadmin/team/juergen.bolten/interkulturelle_kompetenz_ganzheitliches_Lernen_bolten.pdf
  12. Strohschneider, S. (2010): Planspiele und Computersimulationen. In: Weidemann, A., Straub, J., Nothnagel, S. (Hrsg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung: ein Handbuch. Bielefeld: transcript (Kultur und soziale Praxis), S. 241–264. S. 258-260.
  13. Strohschneider, S. (2010): Planspiele und Computersimulationen. In: Weidemann, A., Straub, J., Nothnagel, S. (Hrsg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung: ein Handbuch. Bielefeld: transcript (Kultur und soziale Praxis), S. 241–264. S. 258-260.